Pflege wandert ab - Welche Push-Faktoren spielen dabei eine Rolle?
Der Fachkräftemangel in der deutschen Krankenpflege hält an, Tendenz steigend. Folgen dieses Personalmangels sind bereits jetzt schon abzusehen und reichen von Arbeitsverdichtungen für das verbleibende Personal über steigende Unzufriedenheit- und Fluktuationsraten, bis hin zu sinkender Qualität der Patientenversorgung. Zahlen aus der internationalen Pflegeforschung bestätigen diese Eindrücke. So sind durchschnittlich mehr als 25% der europäischen Pflegekräfte aus Akutkrankenhäusern mit ihrem Job unzufrieden, wobei sich die Ergebnisse zwischen den Ländern zum Teil gravierend unterscheiden: in Deutschland, zum Beispiel, zeigten sich 37% Pflegekräfte unzufrieden mit ihrem Arbeitsplatz. Diese Unzufriedenheit resultierte bei 36% der deutschen Pflegekräfte sogar in dem Wunsch, den Arbeitsplatz innerhalb des nächsten Jahres verlassen zu wollen, sowie bei 16% darin, den gesamten Pflegeberuf aufzugeben und sich einen Job außerhalb der Pflege zu suchen (Heinen et al. 2013, Aiken et al. 2013)
Diese Zahlen stimmen nachdenklich, besonders, wenn die 36 Prozent unzufriedenen und wechselbereiten Pflegekräfte Deutschland den Rücken kehren, um ihr Glück im Ausland zu versuchen. Doch warum sollten Pflegekräfte ihren Arbeitsplatz verlassen? Was würde sie in den Hauptzielländern der Auswanderung erwarten?
Der Plenarvortrag soll Antworten auf diese Fragen vermitteln und stellt die Forschungsergebnisse der internationalen Pflegestudie RN4Cast (Registered Nurse Forecasting: Human Resources Planning in Nursing) vor, deren deutschen Teil die Technische Universität in Berlin durchführte. Im Rahmen der Studie wurden zwischen 2009 und 2011 in zwölf europäischen Ländern Daten von insgesamt 33.659 Pflegekräften aus 488 Akutkrankenhäusern zu sämtlichen Aspekten ihres Arbeitsalltags erhoben (u.a. zur Arbeitsumgebung, emotionaler Erschöpfung und Burnout, Zufriedenheit, die Versorgungsqualität auf den jeweiligen Stationen sowie dem Personaleinsatz (Personalbesetzung und Ausbildung/Weiterbildung).
Aus den Daten ermittelte die Studie folgende sogenannte Push-Faktoren, die damit im Zusammenhang stehen, dass Pflegekräfte ihren Arbeitsplatz verlassen wollen:
Als Hauptzielländer von deutschen Pflegekräften wurden in der Studie Großbritannien, die Niederlande, Norwegen, Schweden und die Schweiz betrachtet.
Daneben wurden die einzelnen Push-Faktoren länderübergreifend miteinander verglichen, um Aussagen darüber abbilden zu können, inwiefern eine deutsche Pflegefachkraft im Ausland bessere Arbeitsbedingungen (bezogen auf die Push-Faktoren) vorfinden würde. Abbildung 1 stellt hierzu die jeweiligen Push-Faktoren und deren Ausprägungen länderübergreifend dar. Aus den dargestellten Häufigkeiten lässt sich u.a. ableiten, dass 82 % der deutschen befragten Pflegekräfte mit der Personalausstattung unzufrieden sind, verglichen mit 52 % in der Schweiz oder 61 % in Norwegen.
Quelle: Zander und Busse 2014, Gesundheit und Gesellschaft, S. 35
Die Ergebnisse der Studie konnten in Einklang mit internationaler Evidenz zeigen, dass die hohe Unzufriedenheit unter dem Pflegepersonal und die daraus resultierende Wechselbereitschaft nicht allein auf die inadäquate Personalsituation zurückzuführen ist, sondern auf ein ganzes Bündel an Faktoren. Es wäre daher wünschenswert, ein System zu etablieren, welches die im jeweiligen Kontext bestehenden, identifizierten Push-Faktoren so effektiv wie möglich adressiert, so dass der Pflegemangel in Zukunft nicht noch dahingehend verschärft wird, dass sich immer mehr Pflegefachkräfte entscheiden, den Beruf (zu früh) aufgeben zu wollen bzw. ihn gar nicht erst zu ergreifen.
1. Aiken LH, Sloane DM, Bruyneel L, van den Heede K, Sermeus W. Nurses’ reports of working conditions and hospital quality of care in 12 countries in Europe. International Journal of Nursing Studies 2013; 50: 143-53. doi:10.1016/j.ijnurstu.2012.11.009.
2. Heinen MM, van Achterberg T, Schwendimann R, Zander B, Matthews A et al. (2013). Nurses’ intention to leave their profession: A cross sectional observational study in 10 European countries. Int J of Nurs Stud.;50(2):174-84.
3. Ognyanova, D (2011). Warum migrieren Pflegekräfte? Ergebnisse einer Studie zu Mobilität von Fachkräften im Gesundheitswesen aus und nach Deutschland. Die Schwester Der Pfleger 50 (4), 372-347.
4. Zander B 2017: Warum wollen Krankenpflegefachkräfte ihre Arbeitsplätze verlassen und was kann das Krankenhausmanagement dagegen tun? HeilberufeSCIENCE 2017; 8(2):52-67. doi:10.1007/s16024-017-0299-6
5. Zander B, Busse R (2014). Pflege auf Wanderschaft. Gesundheit und Gesellschaft 2014; 4(14): 32-37.
6. Zander B, Blümel M und Busse R (2013). Nurse Migration in Europe – Can expectations really be met? Combining qualitative and quantitative data from Germany and eight of its destination and source countries. Int J Nurs Stud.; 50:210-218.